Eine nützliche Unterbrechung in der Softwareentwicklung ist mit einem Kund:innentyp verbunden, der als kritisch, kleinlich und detailverliebt beschrieben wird und die Software in der Rolle als Nutzer:in kleinschrittig unter die Lupe nimmt. Anfragen solcher Kund:innen unterbrechen zwar dann und wann den Flow eines:einer Mitarbeitenden, bringen vor allem aber konstruktiven Input mit sich, der für die Arbeitsaufgabe bzw. das Produkt einen hohen Mehrwert erzeugt, auch wenn sie „Freud und Leid“ für die Mitarbeitenden bedeuten.

Ein Projektleiter sitzt an seinem Arbeitsplatz im Großraumbüro und arbeitet an Planungsunterlagen. Wiederholt wird er von Kolleg:innen angesprochen, die Fragen an ihn haben oder ihn mit Informationen versorgen. Da diese Unterbrechungen alle im Zusammenhang mit dem Projekt stehen, an dem der Projektleiter sitzt, sind sie für seine Arbeit nützlich. Sie bringen ihn voran, anstatt ihn aufzuhalten.

Die Pflegefachperson wird bei einer Pflegehandlung an einer Patientin von einer Kollegin unterbrochen, die eine Information zum aktuellen Zustand dieser Patientin übermittelt. Da die Information für die Ausführung der Pflegehandlung wichtig ist, war die Unterbrechung nützlich.

Wenn Herr Traxler während eines Gesprächs mit einer Kundin den Anruf einer Kollegin erhält, auf den er schon lange wartet, ist die Unterbrechung für ihn nützlich. Er nimmt den Anruf an, weil er die Information dringend braucht und er die Kollegin später erfahrungsgemäß nicht mehr erreicht. Die Information braucht er für die Beratung eines anderen Kunden – diesen kann er nun im Anschluss an das aktuelle Kundengespräch anrufen und den Vorgang abschließen.  

Das Hinzufügen des Kontakts zu für die betroffene Person nicht relevanten E-Mails oder irrelevanten Konversationen auf jeglichen Kommunikationskanälen ist für die Arbeitsaufgaben unbedeutsam und erzeugt für den:die Betroffene eine nicht nützliche Unterbrechung.

Die Ablenkung durch laute Telefonate oder Videokonferenzen im Großraumbüro trägt nichts zum Erfolg der eigenen Arbeit bei (die Projektingenieur:innen sind typischerweise für je eigene Projekte zuständig und profitieren nicht davon, wenn sie Gespräche aus anderen Projekten mithören müssen). Je ungestörter Arbeit möglich ist, desto besser. Deswegen wird nach technischen wie auch räumlichen Möglichkeiten gesucht, um solche Ablenkungen zu minimieren.

Die Pflegefachperson muss für die Versorgung einer Patientin fehlende Materialien besorgen, da die Wäscheschränke am Wochenende nicht aufgefüllt wurden. Dafür muss sie die aktuelle Pflegehandlung unterbrechen und noch einmal das Zimmer verlassen. Diese Unterbrechung ist für die direkte Interaktionsarbeit in der aktuellen Pflegehandlung nicht nützlich.

Die Hersteller, die den Fachmarkt beliefern, haben aufgrund der Pandemie längere Lieferzeiten. So werden Maschinen nicht geliefert, weil ein Gummipuffer aus Italien fehlt. In der Folge hat Herr Hausinger aufgebrachte Kund:innen am Telefon, die auf ihrer Bestellung bestehen. Solche Lieferverzögerungen sind keine nützlichen Unterbrechungen: Sie tragen nichts zum Gelingen der Dienstleistung bei. Das gilt auch für die Corona-Pandemie insgesamt, die den normalen Arbeitsalltag auf einschneidende Weise unterbrochen hat und vielfältige Umstrukturierungen notwendig gemacht hat und weiterhin notwendig macht. 

Das Hinzufügen des Kontakts zu für die betroffene Person irrelevanten E-Mails oder Konversationen jeglicher Kommunikationskanäle ist für die Arbeitsaufgabe nicht relevant und erzeugt für den:die Betroffene eine nicht nützliche und gleichzeitig störende Unterbrechung, denn die Person wird abgelenkt und/oder es wird in ihre gerade in Ausführung begriffene Arbeitsaufgabe eingegriffen.

Ein Konstrukteur sitzt an einer CAD-Konstruktion, befindet sich auf einem guten Weg zur Lösung eines Problems und wird durch einen Kollegen, der ihn anspricht, aus dem Flow gerissen. Die Unterbrechung nimmt Zeit in Anspruch und es bedeutet erheblichen Aufwand, den Arbeitsgang später wieder aufzunehmen.

Die Pflegefachperson wird beim Vorbereiten der Medikamente für die Patient:innen durch hereinkommende Kolleg:innen aus der Konzentration gerissen und muss wieder von vorne anfangen. Diese Unterbrechung empfindet die Pflegefachperson als störend. 

In unserem Fachmarkt gehört der simultane Umgang mit mehreren Kund:innen-Anfragen zur gleichen Zeit zum Aufgabenspektrum der Beschäftigten im Kund:innen-Support. Trotzdem gibt es Situationen, in denen Kund:innen-Anfragen stören. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn man gerade damit beschäftigt ist, eine Reklamation zu bearbeiten. Herr Hausinger berichtet, dass er einen solchen Vorgang gerne abschließen würde, bevor er den nächsten Anruf entgegennimmt. „Das ist wirklich ein ellenlanges Procedere. Sie müssen den Lieferanten anschreiben, Fotos beilegen … wir fordern die Fotos beim Kunden an, gleich im Gespräch können sie uns das per Whatsapp schicken … in dieser Zeit, bis der mir die Fotos schickt, klingelt aber schon wieder fünfmal das Telefon, das heißt, ich habe den Vorgang im Endeffekt fast nicht mehr im Kopf, weil ich mich schon wieder auf fünf andere konzentriere.“ 

Ablenkungen durch Kolleg:innen unterbrechen zwar die Arbeitsaufgabe, sind allerdings (kontextabhängig) nicht störend und vor allem auch „gerne gesehen“, denn sie ermöglichen eine Pause bzw. das Sozialisieren mit Kolleg:innen.

Ein Projektleiter wird von einem Mitglied aus seinem Team angesprochen, weil ein Problem im Projektablauf eingetreten ist. Der Projektleiter ist zwar gerade mit anderen Aufgaben befasst und muss diese beiseitelegen. Gleichwohl wird die Unterbrechung von ihm als nicht störend empfunden, da es sich um eine wichtige Information handelt und die Bearbeitung des Problems Priorität hat. Außerdem kann die ursprüngliche Arbeit später ohne großen Zusatzaufwand wieder aufgenommen werden. 

Die Pflegefachperson hat gerade ein paar Minuten Zeit und entscheidet sich, die Kaffeemaschine im Stationspausenraum zu reinigen (die Kolleg:innen wechseln sich hier ab). Währenddessen tritt jedoch ein Notfall bei einer Patientin auf der Station ein. Die Pflegefachperson unterbricht sofort ihre Tätigkeit und eilt zu Hilfe. Sie empfindet dies als nicht störende Unterbrechung, da die Reinigung der Kaffeemaschine problemlos später fortgesetzt werden kann und die Patient:innenversorgung eine ungleich höhere Priorität hat. 

Herr Traxler unterbricht ein Beratungsgespräch mit einem Kunden an der Theke, geht zu einem der Scanner im Ladenlokal, ruft den Preis einer Ware ab und kommt wieder zum Kunden zurück. „Das ist“, sagt Herr Traxler, „mein normaler Tagesablauf, also das find ich nicht störend.“ 

Widersprüchliche Anforderungen wie „Ich gehe intensiv auf Kund:innenbedürfnisse im Beratungsgespräch ein“ und „Ich lasse Kund:innen nicht lange warten, insbesondere, wenn sie sich über den Chat oder Telefon melden“ lassen sich beispielsweise durch eine Vorfilterung der Kund:innenanfrage mit entsprechender Zuweisung an richtige Ansprechpartner:innen vermeiden. 

Vermeidbar sind Unterbrechungen, die im Rahmen der Zusammenarbeit im Großraumbüro entstehen: durch Rücksichtnahme, technische Hilfsmittel (Headsets), räumliche Gestaltung (Rückzugsräume).

Muss eine Pflegefachperson nicht dokumentierte Informationen besorgen, wäre dies auf verschiedenen Ebenen vermeidbar. Eine entsprechende Stationskultur könnte dafür sorgen, dass man sich gegenseitig (und hierarchieübergreifend!) erinnert oder darauf hinweist, (noch) zu dokumentieren. Die Gesamtorganisation Krankenhaus könnte noch klarere Regeln etablieren, welche zu besserer Dokumentation führen und durch Fortbildungen die Sinnhaftigkeit guter Dokumentation nahebringen.

Das Telefon im Kund:innen-Support klingelt permanent, und immer legt Herr Aumeier gleich nach dem Abheben das Telefon noch mal kurz auf. Das Gerät funktioniert technisch nicht einwandfrei: Mit dem ersten Abheben des Hörers wird die Verbindung unterbrochen. Herr Aumeier weiß jedoch, wie er die Verbindung wieder herstellen kann. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelt, macht er die gleiche Handbewegung, und jedes Mal lacht er dazu kurz. 

Erhalten Mitarbeitende im Kund:innensupport oder in der Beratung eine Anfrage unzufriedener/eskalierender Kund:innen, wird die eigentlich vorgesehene Arbeitsplanung zunächst umgeworfen, denn der Bearbeitungsfokus ändert sich in diesem Moment hin zur Bearbeitung der Beschwerde: „gerade eben [wurde] hier dieser Fokuspunkt neu gesetzt“. Dies führt zu einem Eingriff in die Arbeitsaufgabe, lässt sich allerdings nicht vermeiden, denn das Anliegen des:der Kund:in hat nun Priorität und gehört zur Kerntätigkeit des Supports oder der Beratung.

Die Fortführung des Projekts ist von Entscheidungen beim Kunden abhängig, die dort erst getroffen werden müssen (vgl. das Beispiel zur Unterbrechungsform „Wartezeit“): Solche Unterbrechungen können nicht vermieden werden, ihre negativen Auswirkungen können aber reduziert werden (etwa durch eine frühzeitige Information von Seiten des Kunden, dass mit einer Unterbrechung zu rechnen ist).

Die Patientin, welche sich auf dem Weg zum Untersuchungstermin befindet, muss nochmal auf die Toilette. 

Im medial vermittelten Kund:innen-Support im Einzelhandel geht eine telefonische Anfrage ein, während Herr Hausinger eine komplizierte Reklamation bearbeitet. Zwar könnte auch ein anderer Kollege das Telefonat annehmen; aber wenn auch alle anderen Kolleg:innen in komplizierten Verhandlungen stecken, muss Herr Hausinger das Telefon abnehmen – es gehört hier zum guten Service, dass immer jemand erreichbar ist. So nimmt Herr Hausinger den Anruf entgegen. In diesem Fall lässt sich die Unterbrechung der aktuellen Tätigkeit (die Bearbeitung der Reklamation) nicht vermeiden.